Würzburg – Stefan G. Hofmann ist Professor an der Boston University. Über einen Humboldt-Forschungspreis kann er jetzt ein Jahr lang an der Uni Würzburg seiner Forschung nachgehen. Er beschäftigt sich mit Angststörungen und Depression.
Immer mehr junge Erwachsene leiden unter psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörungen oder Panikattacken. Zwischen 2005 bis 2016 ist der Anteil der 18- bis 25-Jährigen mit psychischen Diagnosen um 38 Prozent und darunter bei Depression um 76 Prozent gestiegen. Diese Zahlen hat die Barmer Krankenkasse Anfang 2018 präsentiert. Auch unter Studierenden ist demnach mehr als jeder sechste von einer psychischen Diagnose betroffen. Das entspricht rund 470.000 Personen in Deutschland.
Angststörungen und Depression sind ein Forschungsschwerpunkt von Professor Stefan G. Hofmann. Der Psychologe und Neurowissenschaftler ist zwar Deutscher und hat in Marburg studiert und promoviert; seit 1996 lehrt und forscht er allerdings an der Boston University – einer der größten privaten Universitäten in den USA. Hofmann leitet dort das Psychotherapy and Emotion Research Laboratory.
In den kommenden Jahren wird Stefan G. Hofmann viel Zeit an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) verbringen. Ausgezeichnet mit einem Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung wird er am Lehrstuhl von Professor Paul Pauli gemeinsam mit seinen deutschen Kollegen nach Wegen suchen, wie sich die Therapie einer Angststörung verbessern lässt. Dafür stattet ihn die Humboldt-Stiftung mit 60.000 Euro aus und ermöglicht so einen einjährigen Forschungsaufenthalt, der zeitlich aufgeteilt werden kann.
Eine häufige Erkrankung
„Angststörungen gehören mit Depression und Suchterkrankungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Im Laufe eines Lebens sind zehn bis 15 Prozent davon betroffen“, erklärt Hofmann. Dann steht Medizinern und Psychologen ein umfangreiches Therapie-Angebot zur Verfügung, mit dem sie den Betroffenen helfen können. Dazu gehören sowohl Medikamente als auch verschiedenste psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten.
Was den Behandlungserfolg der Medikamente angeht, sind die Zahlen allerdings ernüchternd. „In gut der Hälfte aller Fälle verbessert sich das Befinden nach der Einnahme spezieller Medikamente. Das ist nicht wahnsinnig viel, wenn man bedenkt, dass die Erfolgsquote von Placebos zwischen 20 und 30 Prozent liegt“, sagt Hofmann. Und neue Wirkstoffe mit einer erhöhten Wirksamkeit seien derzeit nicht in Sicht. Nicht sehr viel besser seien die Heilungschancen bei psychotherapeutischen Verfahren wie beispielsweise der kognitiven Verhaltenstherapie, so der Psychologe – auch wenn diese bei einigen Krankheitsbildern wie beispielsweise der Sozialen Angststörung sehr erfolgreich sein kann.
Vermeidungsstrategien hilfreich einsetzen
Aus diesem Grund will Hofmann gemeinsam mit dem Team von Professor Pauli daran arbeiten, das Therapieangebot zu modifizieren und so den Erfolg zu verstärken. Ein Ansatz könnte es beispielsweise sein, Vermeidungsstrategien, mit denen ein Patient sein Leiden normalerweise verschlimmert, gezielt und sinnvoll zu nutzen. „Vermeidung ist eigentlich schlecht. Aber wenn wir einem Patienten damit die Möglichkeit geben, eine angsteinflößende Situation zu kontrollieren, kann es ihm möglicherweise helfen“, erklärt Hofmann.
Dabei setzen die Wissenschaftler auf eine Technik, die am Lehrstuhl von Paul Pauli schon seit vielen Jahren intensiv genutzt wird: der Virtuellen Realität (VR). Der Gedanke dahinter: Patienten sollen sich im Rahmen einer Therapie mit ihrer Angst auseinandersetzen. In der Konfrontation mit der Situation, die sie sonst meiden, lernen sie, dass die gefürchteten Konsequenzen gar nicht eintreten. Das funktioniert sogar dann, wenn sie die spezielle Situation gar nicht real, sondern „nur“ virtuell erleben.
Wenn also ein Soldat, der an einer Posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt ist, in der virtuellen Realität eine Gefechtssituation nacherlebt, könnten ihm die Wissenschaftler zum Beispiel einen Bunker anbieten, in den er sich zurückziehen kann. Das ist dann zwar auch eine Art von Vermeidungsverhalten, gibt dem Soldaten aber die Möglichkeit, die Situation zu kontrollieren. „Er kann der Situation, die sein Trauma ausgelöst hat, kurz aus dem Weg gehen, um sich ihr dann wieder ganz und gar auszusetzen“, sagt Hofmann. Ob dieser Ansatz tatsächlich funktioniert, will Hofmann in seiner Zeit an der JMU untersuchen.
Schnell von der Grundlagenforschung in die Therapie
Würzburg und seine Universität kenne er bereits seit einem Aufenthalt vor gut elf Jahren, erzählt Hofmann. Auf seinem Forschungsgebiet sei die JMU gut aufgestellt: „Es gibt hier sehr gut funktionierende Gruppen sowohl in der Psychologie als auch in der Psychiatrie“. Der biologisch orientierte Ansatz am Lehrstuhl von Paul Pauli passe zudem ideal zu seinem Fokus auf die Therapie und sein Bestreben, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung möglichst schnell in eine therapeutische Intervention zu überführen. „Translationsforschung“ lautet das dazu passende Schlagwort.
Weitere fruchtbare Kooperationen, gemeinsame Forschungsanträge und Publikationen und den Austausch von Doktoranden und Postdocs: Diese Ziele will Stefan G. Hofmann ebenfalls mit seinem Aufenthalt an der JMU verwirklichen. Mehrere, drei- bis viermonatige Besuche über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren, wie das die Humboldt-Stiftung gestattet, seien dafür ideal. Hier die private Universität in den USA, dort die staatliche Uni in Bayern: Passt das zusammen? „Wir bewegen uns auf ähnlicher Höhe, was Forschung und Lehre angeht“, sagt Hofmann. Schließlich komme es auf die Mitarbeiter und die Ideen an. Und die sind an der Psychologie der Universität Würzburg und im Psychotherapy and Emotion Research Laboratory der Boston University ausgezeichnet.
Bild: Wie lässt sich das Therapieangebot bei einer Angststörung verbessern? Unter anderem daran forscht Stefan G. Hofmann. (Foto: Gunnar Bartsch)