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Kein Stress unterm Weihnachtsbaum

Würzburg – Mit der ganzen Familie feiern, sich gegenseitig beschenken und ein paar unbeschwerte Stunden verbringen: So stellen sich die meisten Menschen das Weihnachtsfest vor. „Es ist eine schöne Sache, dass zu Weihnachten bei vielen Menschen heimelige Gefühle aufkommen“, sagt Klaus Schmalzl vom Beraterteam der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) der Diözese Würzburg.

„Es kann ein Fest von Frieden und Freude sein.“ Kann – muss aber nicht. Denn gerade an Weihnachten brechen häufig ungelöste Konflikte auf, enden Familientreffen mit Tränen und Streit.

„In dieses Fest wird so viel hineingepackt, was es nicht leisten kann“, erklärt der Diplom-Theologe das Problem. Menschen, die unterm Jahr kaum Kontakt haben, verbringen auf einmal ganze Tage miteinander. Besonders schwierig können die Festtage für Eltern sein, die sich getrennt haben. Will man Weihnachten überhaupt miteinander feiern? Würde man Weihnachten dem Kind zuliebe gemeinsam verbringen? Wenn das nicht funktioniert: Wer „darf“ dann an Heiligabend mit dem Kind feiern?

Das Zauberwort heißt für Schmalzl und seine Kollegin Ingrid Ingelmann: „Reden.“ Wenn klare Absprachen getroffen werden, können viele Konfliktsituationen oft schon im Vorfeld reduziert oder sogar vermieden werden, ist die Diplom-Psychologin überzeugt. Sie erzählt ein typisches Beispiel: Die Eltern besuchen mit den Kindern die Großeltern. Die haben voller Vorfreude die Gästebetten gerichtet, eine Gans für das abendliche Festessen in den Ofen geschoben – und sind maßlos enttäuscht, wenn die Familie am Nachmittag wieder aufbricht. Besser wäre hier eine konkrete Absprache gewesen, sagt Ingelmann: „Wir fahren zu Oma und Opa, werden dort etwa zwei Stunden bleiben und dann wieder aufbrechen. Das ist eine klare Ansage. Die Großeltern sind vielleicht enttäuscht, können sich aber darauf einstellen“.

Überhaupt können Familienbesuche ein heikles Thema sein. Wenn man es allen recht machen will, können die Festtage schnell zu einem Besuchsmarathon werden, der niemandem richtig Freude macht. Gerade um die Enkelkinder beginnt häufig ein regelrechtes „Tauziehen“. „Es gibt zwei Paar Großeltern, nach einer Trennung vielleicht noch ein drittes Paar Großeltern durch den neuen Partner – und alle wollen, dass das Enkelkind bei ihnen unterm Weihnachtsbaum sitzt“, sagt Ingelmann als Beispiel. „Dann verbringen die Kinder Weihnachten mit Mama, mit Papa, mit Oma-Opa von Mama, mit Oma-Opa von Papa …“ Für Kinder könne das schlicht zur Strapaze werden. „Wenn man an drei Tagen drei Paar Großeltern oder andere Verwandte durchhecheln will, dann kommt dabei kein freudig gestimmtes Kind heraus, sondern ein übermüdetes und überfrachtetes. Und auch die Erwachsenen werden sich kaum an angenehme Stunden erinnern können“.

Deshalb sollten Eltern Familienbesuche gut planen und einteilen, und das Kind im Zweifelsfall vor zu hohen Erwartungen verteidigen: „Notfalls gegen die eigenen Eltern.“ Auch wenn es zunächst seltsam scheinen mag, für die eigene Familie einen „Weihnachts-Fahrplan“ aufzustellen. Und noch ein Tipp der Diplom-Psychologin: „Die Weihnachtszeit geht nicht nur vom 24. bis zum 26. Dezember. Gerade an den Tagen zwischen Weihnachten und Dreikönig haben viele Menschen frei und Zeit für Besuche.“ Die Heiligen Drei Könige seien schließlich auch nicht pünktlich an Heiligabend im Stall von Betlehem erschienen, sondern erst später gekommen, um ihre Gaben für das Jesuskind zu bringen.

Auch die Kinder können in die Planungen für Weihnachten einbezogen werden. „Man kann schon sechs- und siebenjährige Kinder fragen, was sie an Weihnachten machen wollen“, sagt Ingelmann. Eine Ausnahme sind allerdings Kinder, deren Eltern sich getrennt haben. „Wo willst du an Heiligabend feiern? Diese Frage geht gar nicht, weil man das Kind dazu zwingt, sich gegenüber einem Elternteil unsolidarisch zu verhalten.“ Wenn man Weihnachten nicht gemeinsam verbringen könne, ohne durch Worte oder Gesten sich aggressiv zu zeigen, solle man das nicht tun – auch nicht dem Kind zuliebe. Dann müsse für das Kind aber klar sein, wann es mit wem feiert, etwa nach dem Motto: „Dieses Jahr bei dir, nächstes Jahr bei mir.“ Dies sollte dem Kind altersgemäß und sachlich vermittelt werden. Um das Miteinanderreden kommt man also nicht herum. „Es ist wichtig, Kontakt aufzunehmen, es wenigstens zu versuchen“, ermuntert Ingelmann. „Manchmal geht mehr, als man denkt“.

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