Würzburg – Auch im Bistum Würzburg „besteht eine immer größer werdende Kluft zwischen kirchlicher Lehre und dem, was selbst der Kirche nahestehende, engagierte Gläubige nicht mehr mittragen und nachvollziehen“. Das geht aus dem Antwortschreiben hervor, das Bischof Friedhelm Hofmann zur Vorbereitung der Außerordentlichen Bischofssynode 2014 an die Deutsche Bischofskonferenz geschickt hat.
Konkret wird dies beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen: „Die Haltung der Kirche im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und deren Ausschluss vom Kommunionempfang werden nicht nur nicht nachvollzogen, sondern als unbarmherzig, hartherzig, ausgrenzend empfunden.“ Die Antworten der Diözese Würzburg flossen in das am 3. Februar veröffentlichte Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz an die Bischofssynode in Rom ein. Veröffentlicht sind sie auf der Homepage der Familienseelsorge: www.familie.bistum-wuerzburg.de.
Nach Angaben von Pastoralreferentin Monika Albert, die den aktuellen Dialogprozess im Bistum Würzburg begleitet, erstellte die Hauptabteilung Seelsorge der Diözese den Entwurf für die Beantwortung des Fragebogens. Die Verantwortlichen griffen dabei zurück auf die Ergebnisse aus verschiedenen diözesanen Prozessen der vergangenen Jahre, die unter Beteiligung vieler Gruppen und Gremien wie auch Einzelpersonen stattfanden. Außerdem wurden die Familienseelsorge, der Fachbereich Natürliche Familienplanung sowie die Ehe-, Familien- und Lebensberatung miteinbezogen. Eine Stellungnahme seitens des Bischöflichen Offizialates zu kirchenrechtlichen Fragen wurde ebenso beigefügt. Hinzu kamen relevante Ergebnisse aus dem Dialogprozess zur Situation von Familien, zum Auseinanderklaffen kirchlicher Lehre und der Haltung praktizierender Christen sowie „Originaltöne“ aus der Umfrage an wiederverheiratete Geschiedene vom Sommer 2013.
Ohne Umschweife konstatiert das Antwortschreiben, dass das voreheliche Zusammenleben von Paaren in Unterfranken „der Normalfall ist“. Über 90 Prozent würden dies praktizieren. Häufig werde, wenn ein Kind gewünscht oder unterwegs sei, zumindest die zivile Anerkennung gesucht. Was die Offenheit der Eheleute für das Leben angeht, so wird festgestellt, werde die Morallehre überwiegend nicht akzeptiert. Die Lehre der Enzyklika „Humanae vitae“ werde auf die Aussage verkürzt: „Empfängnisverhütung (insbesondere ‚die Pille‘) ist verboten.“ In der moralischen Bewertung werde nicht zwischen verschiedenen Methoden der Geburtenregelung unterschieden.
Zur Familienpastoral heißt es, dass mehr als ein Drittel der Paare, die in Unterfranken heiraten und bei denen ein Partner katholisch ist, nicht kirchlich heirateten, weil ein Partner schon einmal verheiratet war. Bei der Vorbereitung auf die kirchliche Trauung werde im Gespräch mit den Seelsorgern deutlich, dass sehr viele Paare kirchlich wenig sozialisiert seien, ihnen aber der Segen Gottes für ihre Beziehung wichtig ist. „Das Bewusstsein der Hauskirche ist bei den Kleinfamilien nicht zu finden. Das liegt auch daran, dass die Glaubens- und Kirchennähe bei den Ehepartnern oft sehr unterschiedlich ist“, ist zum Thema Evangelisierungsauftrag der Eheleute und der Familie zu lesen. Die Familie scheine nicht mehr der Ort zu sein, an dem christlicher Glaube ganz selbstverständlich verwurzelt sei und wo Kinder in den christlichen Glauben hineinwüchsen. Die meisten Eltern spürten die Berufung der Glaubensweitergabe nicht oder delegierten diese an offizielle Stellen wie Kindergarten, Schule oder Katechese.
Zur Situation von getrennt Lebenden und wiederverheirateten Geschiedenen antwortet die Diözese Würzburg, dass diese eine wichtige Realität darstellten. Ehepaare in der Krise könnten auf ein gutes Angebot kirchlicher Beratungsstellen zugehen. Auch Seelsorger seien gesprächsbereit und vermittelten gerne. „Eine pastorale Realität können und wollen die meisten wiederverheirateten Geschiedenen selbst nicht sein, da sie den Eindruck haben, dass sie als Irreguläre von der Kirchengemeinschaft (Sakramente) ausgeschlossen sind.“ Viele seien verletzt, weil man ihre Situation nur objektiv sehe und ihre Gewissensentscheidung nicht respektiert werde. Für ihre Kinder erwarteten diese, dass sie wie die Kinder „regulärer“ Familien behandelt werden. „Wenn die Kirche ‚für das Heil aller Menschen‘ da ist – so steht es im Leitbild der Hauptabteilung Seelsorge in der Diözese Würzburg – gilt dieser Satz auch für die gesamte Pastoral in unserer Diözese. Deshalb muss es das Ziel sein, auch Geschiedenen, die wiederverheiratet sind, in der Kirche und in den Pfarrgemeinderäten eine Heimat zu geben und sie nicht auszugrenzen.“
Die Not sei gerade bei denen groß, die in ihrem Glauben verankert seien und sich früher zu Kirche gehörig fühlten. Die Sehnsucht nach Vergebung und Versöhnung ist laut Antwort der Diözese Würzburg groß. „Menschen, die eine gescheiterte Beziehung loslassen wollen, würden eine sakramentale ,Lossprechung‘ dringend brauchen.“ Ein pastorales Konzept, in dem ein verantworteter Umgang mit in Trennung Lebenden, Geschiedenen oder wiederverheirateten Geschiedenen beschrieben ist oder mit konkreten Handlungsoptionen vorgesehen ist, gebe es nicht. „Es soll dabei nicht um vorschnelle, pastorale Kompromisse gehen, sondern um eine kompromisslose Pastoral mit wiederverheirateten Geschiedenen, die am Beispiel Jesu orientiert gerade auf die Menschen mit brüchigen Biographien zugeht, Begleitung anbietet und ihnen einen Neuanfang trotz ihres Scheiterns ermöglicht.“ Sicher positiv könne sich bei kirchlichen Eheverfahren eine Straffung und Vereinfachung des Eheprozessrechtes auswirken.
Deutlich wendet sich das Antwortschreiben gegen eine Bezeichnung von sogenannten Patchworkfamilien, Lebensgemeinschaften und Alleinerziehenden als „irreguläre Ehesituationen“. „Sie sind vielmehr gelebte Realitäten, denen sich Kirche stellen sollte, nicht vorverurteilend oder beurteilend.“ Zu homosexuellen Paaren heißt es, dass diese Situation ernst zu nehmen sei, wenn etwa zehn Prozent der Menschen homosexuell seien. „Homosexuelle Menschen ohne Vorbehalt zu akzeptieren und ihnen pastoral angemessen zu begegnen, ist eine Forderung der Zeit.“
Bild: Familienwallfahrt der Diözese Würzburg nach Assisi: ‚Familienwallfahrten sollen dazu beitragen, dass sich Familien, die an Glaube und Kirche interessiert sind, begegnen und spüren, wir sind nicht allein‘, heißt es in der Antwort der Diözese Würzburg zur Familienumfrage der Bischofssynode. (Foto: Bernhard Schweßinger / POW)