Selten war der Ratssaal so gefüllt: Rund 750 Würzbürgerinnen und Würzburger kamen in diesem Jahr auf Einladung von Oberbürgermeister Christian Schuchardt zum Neujahrsempfang, der traditionell den Auftakt für das politische Jahr in Würzburg bildet.
70 Jahre Frieden – und zugleich etwa 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg. Mit einem nachdenklichen Blick auf das vergangene Jahr eröffnete Schuchardt seine viel beachtete und von häufigem.
Lob für Einsatz ehrenamtlicher Helfer
In der Rückschau auf 2015 erinnerte Schuchardt ganz besonders an den Einsatz der vielen ehrenamtlichen Helfer, die „tatkräftig anpacken, um Flüchtlingen die Eingewöhnung in unserer Stadt zu erleichtern. Sie machen Ernst mit der so oft beschworenen Solidarität, indem sie Mitmenschlichkeit leben und Würzburg von seiner besten Seite zeigen.“ Die große Anzahl von Flüchtlingen stelle die Stadt vor große Aufgaben. „Einige der in diesem Sommer angekommenen Kinder besuchen bereits eine Kita und unsere Mitarbeiter bieten spezielle Schulungen im Umgang mit traumatisierten Kindern an.“ Zudem würde mit der Franz-Oberthür-Schule eine pädagogische Begleitung von Azubis auf die Beine gestellt und Betriebe sollen bei der Einstellung von Flüchtlingen
besser unterstützt werden.
Landesgartenschau 2018 wird die Attraktivität Würzburgs weiter steigern
Trotz aller Bemühungen in der Flüchtlingskrise: Der demografische Wandel führe zu einem immer schärfer werdenden Wettbewerb zwischen Kommunen und Regionen und so müsse auch in 2016 „alles getan werden, damit wir unsere Finanzkraft erhalten und stärken, indem wir uns noch attraktiver machen für Menschen und Unternehmen.“ Die drei Hochschulen, die Förderung von Unternehmensgründungen, eine schlanke und effiziente Bürokratie, Unternehmerfreundlichkeit und ein bedarfsgerechtes Angebot an Gewerbeflächen und Wohnraum seien Voraussetzungen. Schnell werde daher auf dem ehemaligen Konversionsgelände gearbeitet: Im Sommer wurden bereits mehrere Bebauungspläne auf dem Hubland rechtskräftig, die Neuerschließung ist in vollem Gang, neue Straßen sind in weiten Teilen schon erkennbar. Auch die Landesgartenschau 2018 wird die Attraktivität Würzburgs weiter steigern. Städtebauliche Qualität, ein einladendes Entrée in die Stadt, Fortschritte bei der Sanierung des Hauptbahnhofs: Oberbürgermeister Christian Schuchardt dankte hier ganz besonders den Landes- und Bundespolitikern für ihren Einsatz.
Als einen „Ort der Begegnung“ bezeichnete Schuchardt die Fußgängerzone Eichhorn- und Spiegelstraße, denn: „Letztlich machen nicht die Steine eine Stadt aus, sondern die Menschen, die sie mit Leben füllen.“ Mit über 37.000 Studierenden sei Würzburg eine junge Großstadt mit enormem Wachstumspotenzial und habe im jüngsten Dynamikranking der Wirtschaftswoche unter 69 kreisfreien Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern einen sehr guten fünften Platz belegt.
Dynamische Entwicklung zeige sich auch im Bereich des Tourismus. „Kulturelles Erleben ist ein elementares menschliches Bedürfnis. Vielfalt und Qualität des Kulturangebots sind mit entscheidend für die Lebensqualität einer Kommune.“ Deshalb begrüßte er nachdrücklich, dass sich der Stadtrat für ein Konzept zur umfassenden Sanierung und Erweiterung des Mainfranken-Theaters entschieden habe, „auch wenn dies einen finanziellen Kraftakt“ bedeute.
Intensiver Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern
Die Stadt Würzburg habe im vergangenen Jahr intensiven Dialog mit betroffenen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern gesucht. So sei der Kommunale Aktionsplan Integration entstanden, aktuell werden der Lärmaktionsplan und der Luftreinhalteplan fortgeschrieben, im Rahmen des Radwegekonzepts und für das Mozartareal haben Bürgerworkshops und dialoge stattgefunden. „Wir bemühen uns um Aufklärung und größtmögliche Transparenz, gerade auch vor den Herausforderungen durch die vielen Flüchtlinge. Denn nicht wenige haben Zweifel, ob wir diese Herausforderungen bewältigen können.“ Und Schuchardt bezog vor den erschreckenden Ereignissen in Köln deutlich Stellung: „Eine differenzierte, sachliche Betrachtung ist immer notwendig. Es ist völlig egal, wer es ist, der eine Straftat begeht, wir müssen sie verhindern und dort, wo es schon zu spät ist, ahnden“.
Als eine große Ehre bezeichnete er, dass ein Würzburger zum obersten Repräsentanten der deutschen Juden gewählt wurde: Josef Schuster. Eine große Ehre auch für Würzburg, dass der Präsident des Zentralrates der Juden, Gastredner beim städtischen Neujahrsempfang war.
Humorig blickte dieser auf das vergangene Jahr zurück – durchaus durch die Brille eines Mannes, der öfter in Berlin zu tun hat. So hätte sich eine seine Mitarbeiterinnen über die vielen vermeintlichen Bäckereien in Würzburg gefreut, bis sie den Johanniterbäck betreten habe. Oder wie sie entdeckt habe, dass der Brückenschoppen keine Shopping-Mall, aber sehr sympathisch sei. „Was für uns so selbstverständlich geworden ist, nehmen andere als ein kleines Juwel wahr“, so Schuster.
„Wir können in jeder Hinsicht dankbar sein, dass das Jahr 2015 in unserer Region ein weitgehend friedliches Jahr war“, sagte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland rückblickend auf die vergangenen Monate – auch wenn 2015 mit dem Anschlag auf die Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo begann und kurz darauf eine Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt stattfand. „Das lässt auch bei uns viele Menschen bange fragen, wie sicher wir noch sind“, so Schuster weiter. Trotzdem habe man sich bisher nicht einschüchtern lassen und müsse daran weiterhin festhalten. Denn: „Wir dürfen uns unsere freiheitliche Gesellschaft nicht von Terroristen zerstören lassen!“
„Die Hilfsbereitschaft der Bürger nahm eine neue Dimension an“
Stolz ist Schuster auf die Hilfsbereitschaft der Würzburger, die sich im vergangenen Jahr ehrenamtlich in der Betreuung der rund 2.400 Flüchtlinge in Würzburg engagiert hatten. „Die Hilfsbereitschaft der Bürger nahm eine neue Dimension an“, sagte Schuster. Aber es sei auch allen deutlich geworden, „wenn die Flüchtlingszahlen in der Größenordnung bleiben wie 2015, werden wir an unsere Grenzen stoßen“, so der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland: „Der Staat muss stärker regulieren, sonst könnte auch die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden.“ Dabei stehe man noch vor der Mammutaufgabe der Integration: „Es muss unser Ziel sein, diese Menschen besser in unsere Gesellschaft zu integrieren, als uns das in den zurückliegenden Jahrzehnten mit den Migranten gelungen ist. Parallelgesellschaften, eine Ghettoisierung, gar eine Paralleljustiz – „solchen Entwicklungen müssen wir entgegenwirken“, betonte Schuster. Dabei müsse der Rechtsstaat samt den Werten, auf denen er basiert, verteidigt werden. „Und dieser Rechtsstaat akzeptiert weder Mord, noch Ehrenmord.“
Gleichzeitig drückte Schuster auch die Sorgen der jüdischen Gemeinde aus, denn in Ländern wie Syrien gelten beispielsweise bestimmte antisemitische Schmähschriften als historische Dokumente während im Schulunterricht auch Landkarten verwendet würden, auf denen Israel nicht existiere. „Den Kindern wird von klein auf vermittelt, Muslime würden weltweit von Juden unterdrückt“, so der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland: „Warum sollten die Menschen diese Einstellungen ablegen, nur weil sie die Grenze nach Deutschland überschreiten?“ Deutschland könne aber durch die Flüchtlinge sehr gewinnen – an Wirtschaftskraft, an kultureller Offenheit, an Toleranz. „Die Willkommenskultur, die sich auch hier in Würzburg etabliert hat, leistet dazu einen wichtigen Beitrag.“
Der Neujahrsempfang wurde umrahmt von den Musikern der Shaky Foundation.
Bild: Auf das neue Jahr stößt Oberbürgermeister Christian Schuchardt zusammen mit Bischof Friedhelm Hofmann, Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder, den landtagsabgeordneten Oliver Jörg und Georg Rosenthal sowie Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake an. (Foto: Christian Weiß)