Würzburg – Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wertete die große Zahl der Teilnehmer an der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Pogroms vor 81 Jahren auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge in der Domerschulstraße als ein hoffnungsvolles Zeichen. Bei ungemütlichem Herbstwetter lauschten die Gäste drei „ungemütlichen“ Redebeiträgen.
Oberbürgermeister Christian Schuchardt erinnerte an besonders schockierende antisemitische Straftaten in diesem Jahr und deren hohe Zahl insgesamt und mahnte. „Der Staat alleine wäre damit überfordert, den Antisemitismus wirksam zu bekämpfen, deshalb dürfen wir ihn bei dieser so wichtigen Aufgabe nicht allein lassen. Dass Juden wie im Juli in München öffentlich beleidigt und entwürdigt werden, darf nicht zur unmenschlichen Normalität werden. Dass Synagogen wie im Oktober in Halle in mörderischer Absicht attackiert werden, darf sich nicht wiederholen.“ Beim gesellschaftlichen Klimawandel sei jeder Einzelne von uns gefordert: „am Arbeitsplatz, am Stammtisch, im Verein, im gesamten sozialen Umfeld“.
Auch angesichts des neuen Antisemitismus sei ein zeitgemäßes Erinnern an den 9. November 1938 weiterhin enorm wichtig und Schuster allen Menschen zutiefst dankbar, die sich in der Erinnerungsarbeit engagieren. Diese Nacht 1938 markiere den Zeitpunkt, als die jüdische Bevölkerung im damaligen NS-Staat „endgültig in der Falle saß“ und sich die Optimisten getäuscht sahen, die gehofft hatten, die Phase des Hasses und der Repressalien werde nicht weiter eskalieren, sondern wieder vorübergehen. Es folgte aber vielmehr die systematische Verfolgung und Vernichtung von Menschen die zuvor „mein Arzt, meine Lehrerin, mein Kindermädchen“ waren.
Schuster ging in seiner Rede auf den „Denkort Deportationen“ ein, der aktuell am Hauptbahnhof entsteht. Er begrüßte ausdrücklich den Standort, den viele Menschen wahrnehmen werden und der – neben der Aumühle – Ausgangspunkt einer Deportation war.
Regierungspräsident Eugen Ehmann war ein weiterer Aspekt wichtig: Er erinnerte an den 2019 in Österreich verstorbenen Marko Feingold. Der Holocaust-Überlebende wurde 106 Jahre alt und mache uns bewusst, dass Zeitzeugen dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit nicht mehr lange zur Verfügung stehen werden: Zeitzeugen seien aber das wichtigste Gegengewicht zu jeder historischen Relativierung. Diese Lücke müsse couragiertes Handeln gegen Hass und Antisemitismus schließen.
Joseph Weckerle trug als Abschluss der Gedenkveranstaltung in Vertretung des Rabbiners Jakov Ebert einen Psalm vor.
Bild: Mahnender Ort: Gedenkfeier am Ort der ehemaligen Würzburger Synagoge. (Foto: Georg Wagenbrenner)