Würzburg – Hinter der Ausstellung „Protestantisches Leben in Würzburg während des 16. Jahrhunderts. Eine Annäherung“ im Würzburger Rathausfoyer steckt akribische Historiker-Arbeit und ein Lückenschluss in der Stadtgeschichte. Dies wurde bei der feierlichen Eröffnung im Ratssaal deutlich.
Oberbürgermeister Christian Schuchardt formulierte in seinem Grußwort die Fragen, die man angesichts des großen Jubiläums „500 Jahre Reformation“, für Würzburg ergründen wollte: „Wann kamen die Lehren Luthers in die Stadt und wie wurden sie aufgenommen? Wie stellten sich Bischof, Domkapitel und Stadtbewohner zum neuen reformatorischen Gedankengut? Welche Folgen hatten die Aufenthalte Luthers in Würzburg?“ Schuchardt dankte allen voran Prof. Dr. Hans-Wolfgang Bergerhausen, einem ausgewiesenen Experten für die Geschichte der Frühen Neuzeit, der – beauftragt durch die Stadt – in diese komplexe Materie einstieg und seine Antworten treffend und eindrücklich in einem Vortrag veranschaulichte.
Zusammengetragen wurden die nun kompakt aufbereiteten Informationen, die Stadtgrafiker Markus Westendorf auf Schautafeln bannte, aus vielen Quellen: vom Stadtarchiv Kitzingen, über die Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha, das Stadtarchiv Würzburg,das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München, das Staatsarchiv und das Diözesenarchiv Würzburg, das Museum in Franken bishin zur Universitätsbibliothek und ihrer Abteilung Sondersammlungen.
Franz Schicklberger aus Eibelstadt gab wertvolle Hinweise auf Kartenmaterial. „Spurensuche“ wäre laut Stadtarchivsleiter Axel Metz ebenfalls ein guter Untertitel für die Ausstellung gewesen; auch er würdigte, wie es Prof. Bergershausen gelungen ist, Quellen und Fakten für uns Heutige aufzubereiten und zudem einen sehr langen Untersuchungszeitraum zu betrachten. Letztlich unterschied der Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bei seiner Darstellung drei zeitliche Phasen.
Die Zeit von 1520/21 bis zur Niederschlagung des Bauernkrieges 1525. Damals fassten die reformatorischen Lehren in Würzburg Fuß. In einer zweiten Phase, überlebte der Protestantismus in Würzburg im Verborgenen, wobei schärfste Verfolgung allmählich durch Wegschauen der Obrigkeit abgelöst wurde. Dies sei bis 1556 der Fall gewesen, dann begann die dritte Phase, die zunächst eine sukzessive Entfaltung und ansatzweise auch politische Wirksamkeit des Protestantismus brachte, schließlich aber unter Bischof Julius Echter von Mespelbrunn beendet wurde.
Die Jahre bis 1587. Schon dieser betrachtete Zeitraum macht einiges deutlich: Einerseits handelte es sich bei der Reformation „um einen Urknall, der bis heute wirkt und Identität prägt“ – so Dekanin Edda Weise in ihrem Grußwort. Andererseits war die Reformation keine Revolution, die vergleichbar etwa mit 1789 in Frankreich, an wenigen Tagen alle erfasste, sondern ihre Dynamik langsamer entfachte und regional sehr unterschiedlich verlaufen konnte. Auffallend auch, wenn man erst die Jahre nach 1520/21 unter die Lupe nimmt, dann kann den Übernachtungen Luthers in Würzburg zwischen April und Mai 1518 im hiesigen Augustinerkloster keine große Bedeutung in der Würzburger Reformations-Geschichte zukommen.
Prof. Bergerhausen plädiert dafür, die Wahrnehmung Luthers zu diesem Zeitpunkt außerhalb der Theologie nicht zu überschätzen: „Erst seine große Reformschriften von 1520 lenkten in einen unumkehrbaren Weg der Fundamentalkritik und der Neubegründung von Religion und Kirche ein“. Hätte er also zwei Jahre später in Würzburg Station gemacht, hätte dies sicher eine größere öffentliche Reaktion hervorgerufen, zu diesem Zeitpunkt brachten Prediger das reformatorische Gedankengut in die Stadt. Paulus Speratus, dessen Lieder heute noch in Kirchen gesungen werden, ist der erste Name, der sich diesbezüglich in den Aufzeichnungen findet.
Was sorgte schließlich ab 1587 für das langsame Versiegen protestantischer Lebensäußerungen und für eine große Lücke im evangelischen Leben der Stadt? Prof. Bergerhausen beschreibt ein Ereignis von 1583, das von der Landesherrschaft, Bischof und Domkapitel als ungeheuerliche Provokation aufgefasst wurde. Vor dem Pleicher Tor befand sich der Protestantische Friedhof. Der in Angriff genommene, groß angelegte Ausbau dieses Gottesackers war der Obrigkeit eine protestantische Machtdemonstration zu viel und sie reagierte nun entschlossen. Zunächst ging man entschieden gegen die prominentesten Protestanten vor, die das Bauprojekt im Stadtrat stützten.
Diese Befürworter verloren nach und nach ihre Ratsämter. In einem weiteren Schritt wurde der Druck auf die übrigen Bewohner immer mehr erhöht bis Würzburg eine rein katholische Stadt war.
Die spannende Geschichtsstunde, zu der neben zahlreichen Repräsentanten der Politik auch Vertreter der katholischen Kirche und der muslimischen Gemeinden Würzburgs gekommen waren, umrahmte das „Ensemble Resonanzen“ mit Flötenmusik aus dem 16. Jahrhundert. Die vom evangelisch-lutherischen Dekanat und der Sparkassenstiftung finanziell unterstützte Ausstellung ist nun noch bis zum 26. Mai im Rathaus zu sehen. Montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 13.30 Uhr. Besonders hingewiesen sei auf Ausstellungsführungen durch das Stadtarchiv. Die Termine sind: Mittwoch, 10. Mai 2017, 16.15 Uhr; Freitag, 19. Mai 2017, 12 Uhr und Freitag, 26. Mai 2017, 12 Uhr. Treffpunkt ist jeweils an der Ausstellung im Oberen Foyer vor dem Ratssaal.
Ein Begleitband wird in der Reihe der Sonderveröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg erscheinen. Im Anschluss, von Juni bis Oktober 2017, ist die Ausstellung in der Stephanskirche, Wilhelm-Schwinn-Platz 1, zu sehen.
Bild: Ein 500 Jahre altes Puzzle zusammengesetzt: Prof. Dr. Hans-Wolfgang Bergerhausen, Stadtarchivleiter Axel Metz, Domkapitular Jürgen Vorndran, Dekanin Edda Weise und Kulturreferent Muchtar Al Ghusain bei der Eröffnung der Reformations-Ausstellung im Rathaus-Foyer. (Foto: Georg Wagenbrenner)