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Studieren mit Sehbehinderung

Würzburg – Der 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung – ein Tag auch für Susanne Stedtfeld. Sie studiert an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) Sonderpädagogik fürs Lehramt und ist von Geburt an stark sehbehindert. Mit dem rechten Auge sieht sie gar nichts. Ihr linkes Auge hat eine Sehfähigkeit von nur sechs Prozent, doch mit Hilfe einer Kontaktlinse kommt sie hier auf 18 Prozent. Im Studium steht Susanne Stedtfeld vor einigen Herausforderungen.

Frau Stedtfeld, haben Sie zum Tag der Menschen mit Behinderung ein Anliegen, das Sie loswerden möchten?
Susanne Stedtfeld: Ich wünsche mir ganz allgemein einen respektvollen Umgang aller Menschen untereinander und im besonderen Wertschätzung für all das, was auch Menschen mit Behinderung leisten können – auch wenn sie für manche Dinge länger brauchen als andere oder manches für sie eine größere Herausforderung ist. Auf der anderen Seite sollte in Deutschland jeder, der eine Behinderung hat, es wertschätzen, dass er in einer solidarischen Gesellschaft lebt.

An der JMU kümmert sich eine spezielle Beratungsstelle um Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, die KIS.
Ja, das ist eine super Betreuung dort. Ich hatte schon vor dem Studium Kontakt mit Sandra Mölter von der KIS und seitdem immer wieder. Es ist gut, ständig eine Ansprechpartnerin für Fragen aller Art zu haben.

Die KIS organisiert auch Hilfen für den Studienalltag. Wo brauchen Sie Unterstützung?
Schwierig sind Phasen, in denen ich viel Literatur lesen muss. Die Schrift der Bücher ist viel zu klein für mich. Aber das KIS-Büro scannt die Texte ein und schickt mir pdf-Dateien zu. Damit komme ich am Laptop mit einer Lupenfunktion gut zurecht. Sehr schwer fallen mir auch Literaturrecherchen. Dabei hilft mir eine Studienassistenz, die KIS zur Verfügung stellt. In meinem Fall ist das eine Sonderpädagogik-Studentin, die mich bei Bedarf stundenweise an der Uni begleitet und unterstützt.

Wie kommen Sie in den Vorlesungen zurecht?
Die Dozenten sind sehr zuvorkommend. Wenn sie Powerpoint-Präsentationen an die Wand projizieren, kann ich das nicht lesen. Sie schicken mir darum die Präsentationen schon vorher per E-Mail zu. Und bei Klausuren bekomme ich einen Nachteilsausgleich: Ich habe 50 Prozent mehr Zeit und muss die Klausur nicht auf Papier schreiben, sondern darf das am Laptop machen.

Was gefällt Ihnen am Studium besonders gut?
Dass es einem viele Freiheiten gibt, um nebenher die unterschiedlichsten Dinge auszuprobieren. Ich habe zum Beispiel Gitarre spielen gelernt und mein Spanisch aufgefrischt. Mit dem Erasmus-Programm war ich auch auf einem Auslandsaufenthalt in Spanien.

Zum Feiern? Es heißt ja immer, dass Erasmus-Studenten wenig an der Uni sind, aber viel feiern.
Ja, solche Studenten gibt es bestimmt auch. Ich habe allerdings an der Uni Kurse besucht, unter anderem über Philosophie. Die wurden auf Spanisch gehalten. Das war ziemlich schwer, schon auf Deutsch wäre es ja nicht ganz leicht zu verstehen. Aber ich denke, dass ich aus den Kursen viel mitgenommen habe. Natürlich hatte ich neben der Uni auch genug Freizeit. Die habe ich mit Freunden verbracht, die mir inzwischen fast zur Familie geworden sind.

Sie studieren an der JMU aber nicht Philosophie, sondern Sonderpädagogik. Warum dieses Fach?
Zum einen bin ich familiär beeinflusst: Meine Mutter ist auch Sonderpädagogin. Zum anderen war ich an einer Regelschule und weiß, dass dort für Schüler mit einer Sehbehinderung oder anderen Beeinträchtigungen vieles besser laufen könnte. Darum habe ich mich mit dem Thema auch in meiner Zulassungsarbeit beschäftigt und über Schüler mit einer Sehbehinderung im gemeinsamen Unterricht geschrieben.

Sie wollen das später einmal besser machen?
Die Anforderungen im Beruf werden sicher hoch sein. Ich habe aber schon viele Schulpraktika hinter mir und denke, dass es klappen wird als Lehrerin. Auch wenn mir bei einem Praktikum mal ganz klar gesagt wurde, dass ich als Sehbehinderte unmöglich als Lehrerin arbeiten könne. Im Würzburger Blindeninstitut arbeiten aber auch Lehrer mit Sehbehinderung. Und für die Schüler ist es bestimmt gut, solche Vorbilder zu haben, die auch die Probleme und Herausforderungen im Alltag und in der Schule kennen.

Die Beratungssstelle KIS

Die Kontakt- und Informationsstelle (KIS) für Studierende mit Behinderung und chronischen Krankheiten berät und unterstützt Studieninteressierte, Studierende, Absolventen und Lehrende, aber auch die Bauabteilung der JMU und das Staatliche Bauamt. https://go.uniwue.de/kis

Tag der Menschen mit Behinderung

Jedes Jahr am 3. Dezember soll daran erinnert werden, dass die Würde, die persönlichen Rechte und das persönliche Wohlergehen jeden Menschen betreffen. Organisationen jeder Art sind dann dazu aufgerufen, die Belange und Probleme behinderter Menschen publik zu machen.


Symbolbild: Die Universität am Sanderring (Foto: wuerzburg24.com)

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