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Medizinstudierende trainieren ihre künftige Arztrolle

Medizinstudierende trainieren ihre künftige Arztrolle

Medizinstudent Dietmar Bertelsmann begrüßt seine Patientin Bianca Schneider. (Foto: Universität Würzburg)

Würzburg – In Rollenspielen können sich Medizinstudierende der Universität Würzburg auf ihren späteren Beruf als Arzt vorbereiten. Im Umgang mit Schauspielpatienten üben sie schwierige Gesprächssituationen zu meistern.

„Leider hat die Sonographie am Knie vorgestern kein klares Ergebnis erbracht. Der Befund ist immer noch unklar“, erklärt Dietmar Bertelsmann seiner Patientin Bianca Schneider. „Dann habe ich also doch wieder Krebs“, seufzt die Patientin, blickt auf den Boden und schweigt. „Das einzige, was nun weiterhilft, ist eine Biopsie“, so versucht Dietmar Bertelsmann das schwierige Gespräch fortzuführen.

Patientin Bianca Schneider heißt in Wirklichkeit Melanie Ziegler und ist Schauspielpatientin. Dietmar Bertelsmann hat die Rolle des Facharztes übernommen, er ist Medizinstudent im siebten Semester. Bei der Lehrveranstaltung heute handelt es sich um das Kommunikationsseminar zum Überbringen schlechter Nachrichten im Rahmen der Seminarreihe „Interdisziplinäre Onkologie“. Daran nehmen Medizinstudierende im siebten Semester teil. Sie erproben in einem Simulationsgespräch ihre künftige Arztrolle und trainieren, eine schwerwiegende Krebsdiagnose mitzuteilen. Der Fokus liegt dabei nicht auf den medizinischen Fakten: Die Kursteilnehmer sollen lernen, durch zielgerichtete Fragen eine Beziehung zu den Patienten aufzubauen und auf deren Gefühle einzugehen.

Gute Arzt-Patienten-Kommunikation

Schon ab dem zweiten Semester dürfen Würzburger Medizinstudierende mit Laienschauspielern realitätsgetreue Situationen des klinischen Berufsalltags üben. Bei den Schauspielpatienten handelt es sich um Laienschauspieler, die für eine bestimmte Patientenrolle trainiert werden. Diese Rollen umfassen detaillierte medizinische Aspekte wie beispielsweise Symptome oder Voruntersuchungen, aber auch nicht-medizinische Hintergründe über Beruf oder familiäre Situation der Betroffenen. So entsteht eine möglichst authentische Persönlichkeit, die der Schauspieler in simulierten Gesprächen verkörpern soll.

Zu Beginn der Veranstaltung erarbeiten Dozierende und Studierende im Plenum die wesentlichen Merkmale einer guten ärztlichen Kommunikation. Für die herausfordernde Aufgabe des Übermittelns schlechter Nachrichten erhalten die Studierenden zahlreiche Tipps: Wie steige ich professionell in ein Gespräch ein, wie gehe ich sensibel und fürsorglich auf den Patienten ein und wie beende ich das Übungsgespräch erfolgreich?

Überbringen schlechter Nachrichten

Nach dem Plenum geht es weiter in Kleingruppen mit je vier Teilnehmern. Alle Studierenden erhalten eine Kurzinformation zum Patienten und die Aufgabenstellung für das Simulationsgespräch. Dieses Aufklärungsgespräch werden der Dozierende und die Kommilitonen mitverfolgen. Dietmar Bertelsmann übernimmt heute die Rolle des behandelnden Arztes und muss innerhalb von zehn Minuten seiner Patientin einen unklaren Befund überbringen: Die Sonographie vor zwei Tagen hat keine erhoffte Klärung erbracht. Es besteht der Verdacht auf einen Tumor aufgrund eines großen Knotens in der Kniekehle. Der Knoten soll entnommen werden, um eine Histologie zu gewinnen.

„Eine schwierige Rolle für den Arzt, denn er muss seiner Patientin ein Ergebnis mitteilen, das für sie kein richtiges Ergebnis ist“, so Dozentin Dr. Antje Thierolf. Dietmar Bertelsmann muss also die Unsicherheit bezüglich des Befundes aushalten und darf dabei nicht bagatellisieren. Zum ersten Mal in seinem Studium steht er vor der undankbaren Aufgabe, eine unklare Diagnose übermitteln zu müssen. Zu Beginn des Gesprächs ist seine Aufregung noch groß, dann aber geht der junge Student authentisch und überzeugend auf die Gefühle seiner beunruhigten Patientin ein und verabschiedet sie mit den vertrauensvollen Worten „Sie stehen nicht alleine da, Sie haben uns“.

Das Würzburger Schauspielpatientenprogramm

Im Rahmen der Ausbildung von Studierenden der Humanmedizin an der Universität Würzburg kommen seit 2007 in verschiedenen Lehrveranstaltungen Schauspielpatienten zum Einsatz. Grundgedanke ist das Lernen in der realitätsgetreuen, nachgestellten klinischen Situation.

Mediziner und Psychologen der Universität Würzburg entwickeln und überarbeiten gemeinsam die Krankheitsgeschichten. Die Abteilung für Medizinische Psychologie betreut und koordiniert die Einsätze der Schauspielpatienten in den Lehrveranstaltungen; mit Fachkollegen verschiedener Einrichtungen der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums erfolgt eine enge Abstimmung.

„Das Trainieren der ärztlichen Kommunikation mit Schauspielpatientinnen und -patienten zieht sich durch das ganze Studium der Humanmedizin“, so Professorin Sarah König, seit 2016 Inhaberin des Lehrstuhls für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung und Leiterin des gleichnamigen, neu geschaffenen Institutes. Die Trainings beginnen bereits im zweiten Semester im Rahmen des Faches Medizinische Psychologie und erstrecken sich bis ins zehnte Semester, in dem Medizinstudierende in der Chirurgie das Aufklärungsgespräch vor einer Operation üben. Im Praktischen Jahr üben sie dann sogar gemeinsam mit Berufsfachschülerinnen und -schülern das Management von komplexen Notfällen: Hier kommen ebenfalls Schauspielpatienten zum Einsatz, die auch körperlich untersucht werden; die Medizinstudierenden leiten erste Maßnahmen zur klinischen Versorgung ein. Diese Veranstaltungen hat Sarah König im vergangenen Semester ins Leben gerufen und in das Programm der Pflichtkurse aufgenommen.

Studien belegen, dass solche Arzt-Patienten-Trainings die kommunikative Kompetenz steigern und zugleich die emotionale Belastung der gesprächsführenden Studierenden senken. Das Feedback der Würzburger Medizinstudierenden hinsichtlich der Trainings ist positiv. Die meisten schildern, dass sie von diesen Übungen „in geschütztem Rahmen“ stark profitieren: Wiederholungen seien möglich, Fehler hätten noch keine Folgen und man könne nicht nur den Patienten genau beobachten, sondern auch die eigenen Reaktionen analysieren.


Bild: Medizinstudent Dietmar Bertelsmann begrüßt seine Patientin Bianca Schneider. (Foto: Universität Würzburg)

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