Flüchtlinge schneller in Berufe bringen

Flüchtlinge schneller in Berufe bringen

Viele Firmen haben Probleme, freie Stellen zu besetzen. Und viele Menschen, die vor Krieg und Gewalt aus ihrer Heimat geflohen sind, wollen in Deutschland bleiben und arbeiten. Ein Projekt an der Uni Würzburg will Flüchtlinge und Firmen schneller miteinander in Kontakt bringen.

Vermehrt kommen Menschen aus verschiedenen Krisenregionen der Welt nach Deutschland. Laut einer Schätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden etwa 40 Prozent von ihnen als Flüchtlinge anerkannt und voraussichtlich dauerhaft hier bleiben. In diesem Zuwachs sehen Wirtschaftsverbände und Firmen eine große Chance, denn der Bedarf an Arbeitskräften und Auszubildenden lässt sich derzeit in vielen Branchen nicht decken.

Wie können Flüchtlinge schnell eine berufliche Perspektive erhalten und mit Unternehmen zusammenfinden? Das ist eine der wichtigen Problemstellungen in der neuen Initiative „IntegrAi.de“. Sie wurde im Juli 2015 von den Professoren Richard Pibernik und Sascha Friesike von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg gemeinsam mit 15 Studierenden ins Leben gerufen.

Richard Pibernik engagiert sich selbst ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Dabei erlebt er hautnah mit, wie Flüchtlinge in der ihnen zugewiesenen Unterkunft die Zeit vorwiegend mit Warten verbringen – und das oft über Monate hinweg. „Dabei ist gerade die erste Zeit entscheidend dafür, ob die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt gelingt“, sagt er, „je mehr Zeit verstreicht, umso schwieriger kann die Integration später werden.“

Flüchtlingshelfer arbeiten oft punktuell

Der Professor weiß, wie viele Organisationen und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe tätig sind – und dass sie oft punktuell und voneinander isoliert arbeiten. „Bislang gibt es keinen strukturierten Prozess, der Flüchtlinge, ihre Betreuer und andere wichtige Akteure vom ersten Tag an begleitet. Es ist zwar viel Einzelwissen da, aber es wird nicht gebündelt und damit nicht gut genutzt“, so Pibernik.

Beispiel: Im Umfeld einer Asylunterkunft sind Ehrenamtliche aktiv, die wissen, welche bürokratischen Wege ein Unternehmen gehen muss, wenn es einen Flüchtling beschäftigen will. Und einige Kilometer weiter weg, in einer anderen Gemeinde, gibt es vielleicht einen Firmenchef, der einen Flüchtling einstellen möchte – aber niemanden, der sich mit diesem Prozess auskennt und dabei vermittelt.

IntegrAi.de-Regio will Angebote bündeln

Genau hier setzt eines der neuen Projekte mit dem Titel IntegrAi.de-Regio an: Ziel ist eine Web-Plattform, die Flüchtlinge von Anfang an in ihrer Asylunterkunft begleitet und sie zu einer gesellschaftlichen und beruflichen Integration führt. Diesen Prozess will das Würzburger Team differenziert gestalten und dabei Sprachkenntnisse, Ausbildung und andere Faktoren berücksichtigen, die für die Beschäftigung von Flüchtlingen ausschlaggebend sind.

„Wir wollen nicht das Rad neu erfinden, sondern bestehende Angebote bündeln und Lücken identifizieren“, sagt die BWL- und Medizinstudentin Hannah Lea Diers, die das Projekt koordiniert. Potenzielle Arbeitgeber in der Region sollen über die Web-Plattform schnell in Kontakt mit geeigneten Kandidaten kommen. Eine enge Kooperation mit regionalen Unternehmen gehört darum mit zum Konzept.

Studierende analysieren den Bedarf

Alle Studierenden, die bei dem Projekt mitmachen, führen derzeit Bedarfsanalysen durch. Bei Interviews mit Flüchtlingen, Hilfsorganisationen und Firmenvertretern finden sie heraus, welche Informationen für die geplante Web-Plattform nützlich sind. Für Flüchtlinge kann das ganz am Anfang zum Beispiel die Auskunft sein, wie sie an Sprachunterricht kommen und einen Paten finden. Für regionale Unternehmen können es Informationen darüber sein, wer als Praktikant oder Mitarbeiter in Frage kommt und welche Formalien im Falle einer Beschäftigung zu beachten sind.

Wichtig ist dem Würzburger Team die Nachhaltigkeit des Projekts. Am Ende soll daraus eine gemeinnützige Organisation werden, die sich auch finanziell selbst trägt. Zudem ist geplant, in dem Projekt auch Flüchtlinge langfristig zu beschäftigen. „Da sind wir derzeit eifrig am Scouten“, sagt Diers.

IntegrAi.de-Consult will Gemeinden unterstützen

In einem zweiten Projektbaustein „IntegrAi.de-Consult“ entwickeln die Studierenden Beratungslösungen für Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen. Der Hintergrund dafür: Vor allem in kleineren Gemeinden gibt es zwar großes ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge, oft aber wenig Wissen darüber, was man in Sachen sinnvoller Beschäftigungsmöglichkeiten und Qualifikation tun kann.

Hier will das Team Lösungen entwickeln, die für die Gemeinden maßgeschneidert sind. Die Studierenden ermitteln derzeit „Best-Practice-Ansätze“ und wollen sie dann für andere Gemeinden nutzbar machen. Sie wollen außerdem generell die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch zwischen Gemeinden verbessern. Als ersten Partner konnten sie die Gemeinde Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) für ihr Projekt gewinnen.

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