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Empathie auf dem Prüfstand

Empathie auf dem Prüfstand

In welcher Hand hält Thorsten Erle die Tasse? Die richtige Antwort erfordert einen Perspektivenwechsel, der wiederum in vielen Fällen Empathie erzeugt. (Foto: Uni Würzburg)

Würzburg – Wer es sich leicht vorstellen kann, die Umgebung durch die Augen eines anderen zu sehen, ist auch eher zu Empathie fähig. Das zeigen Experimente von Würzburger Sozialpsychologen.

Thorsten Erle nimmt eine Tasse und hält sie vor sich hin. „In welcher Hand habe ich sie?“ „Rechts!“ Stimmt genau. Um zur richtigen Antwort zu kommen, hat sich sein Gegenüber gedanklich in Erles Körper hineinversetzt, hat durch seine Augen gesehen und die rechte Hand Erles als die identifiziert, die die Tasse hält.

Diese Fähigkeit zur Perspektivenübernahme hat große Auswirkungen darauf, in welchem Maß ein Mensch auch die Gedanken einer anderen Person akzeptiert. Inwieweit er zur Empathie fähig ist, also zum „Mit-Fühlen“ mit anderen. Das hat Erle, Psychologe an der Universität Würzburg, zusammen mit Sascha Topolinski in einer Studie gezeigt.

„Buch-Banane-Test“ am Computer absolviert

Die Wissenschaftler ließen mehr als 1000 Menschen ein einfaches Experiment am Computer durchlaufen: Die Probanden sahen gegenüber von sich an einem runden Tisch eine Person sitzen, vor der eine Banane und ein Buch lagen. Gleich würde die Person auf dem Bildschirm eines der Objekte greifen, entweder die Banane oder das Buch.

Je nachdem, ob sie das mit der linken oder der rechten Hand tat, mussten die Testpersonen reagieren und ebenfalls mit der rechten oder der linken Hand eine Taste drücken. Es ging also darum, die visuelle Perspektive der Person zu übernehmen. Dabei waren die Probanden mal langsamer, mal schneller. Mal lagen sie richtig, manchmal falsch.

Diese Übung war aber nur der Auftakt zum Test. Im Anschluss erschienen auf dem Bildschirm Fragen, und die Person gab Antworten darauf. Beispiel: „Wann war Einstein das erste Mal in den USA?“ Darauf antwortete die unbekannte Person: „1939.“ Jetzt waren die Probanden an der Reihe. Manche siedelten Einsteins USA-Zeit (die dauerte von 1932 bis 1955) im 19. Jahrhundert an. Wieder andere waren sehr nah an der vom Computer präsentierten Antwort der Person.

Seite an Seite statt von Angesicht zu Angesicht

Die Situation änderte sich, wenn sich die Probanden vorher nicht in die Person auf dem Bildschirm hineinversetzen mussten. So gab es auch Versuchsrunden, in denen die Person den Betrachtern nicht von Angesicht zu Angesicht gegenübersaß, sondern sich auf derselben Seite des Tischs befand. Hier war also keine Perspektivenübernahme nötig.

Wieder wurde mitgeteilt, dass die Person entweder nach der Banane oder dem Buch greifen würde. Wieder musste die Taste für „rechts“ oder „links“ gedrückt werden. Neuerlich erschienen Fragen, etwa die: „Wie hoch ist der Kölner Dom?“ Aber diesmal fielen die Antworten drastisch anders aus: Sie waren viel weiter entfernt von dem, was die Person glaubte.

Empathie-Training als mögliche Anwendung

Aus diesen Befunden zieht Thorsten Erle den Schluss, dass die visuelle und die psychologische Übernahme einer fremden Perspektive zusammenhängen. „Wer sich rein visuell leichter in eine andere Person hineinversetzen kann, ist auch stärker zu Empathie fähig“, so der 31-jährige Sozialpsychologe.

Was der promovierte Wissenschaftler als nächstes herausfinden will? Ob es möglich ist, Mitgefühl zu trainieren – womöglich gewinnen ja Menschen, die viele Male den „Buch-Banane-Test“ durchlaufen, generell an empathischer Kompetenz. „Aber diese Anwendung in der Praxis bleibt vorerst noch Zukunftsmusik“, sagt Erle.

Mit seinen Forschungen liegt der Sozialpsychologe im Trend: Die Fähigkeit zu erleben, was ein anderer gerade fühlt, gilt als wichtige soziale Kompetenz. Vor allem Führungskräfte haben das Thema für sich entdeckt. In Seminaren versuchen sie, ihre empathischen Fähigkeiten trainieren, um bei Konflikten schneller zu Lösungen zu kommen.

“The grounded nature of psychological perspective-taking”. Erle, Thorsten M.; Topolinski, Sascha. Journal of Personality and Social Psychology, Vol 112(5), May 2017, 683-695. dx.doi.org/10.1037/pspa0000081


Bild: In welcher Hand hält Thorsten Erle die Tasse? Die richtige Antwort erfordert einen Perspektivenwechsel, der wiederum in vielen Fällen Empathie erzeugt. (Foto: Uni Würzburg)

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