Würzburg – Pflanzen sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen; Bienen benötigen Nektar und Pollen. Wie sich der Klimawandel auf diese gegenseitige Abhängigkeit auswirkt, haben Wissenschaftlerinnen der Uni Würzburg untersucht.
Höhere Durchschnittstemperaturen, wie sie mit dem Klimawandel einhergehen, können gravierende Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben, indem sie deren wechselseitige Abhängigkeiten stören: Während beispielsweise die gewöhnliche Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) sehr empfindlich auf steigende Temperaturen reagiert und immer früher im Jahr blüht, reagiert einer ihrer wichtigsten Bestäuber – eine Wildbienenart – beim Schlüpfen nicht ganz so schnell. Das kann im Extremfall dazu führen, dass die Pflanze keine Samen ausbilden und sich nicht vermehren kann, während die Biene wegen des fehlenden Nahrungsangebots auf andere Pflanzen ausweichen muss.
Dieser Befund ist das zentrale Ergebnis einer neuen Studie, die Wissenschaftlerinnen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) jetzt in der Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht haben. Verantwortlich dafür sind die Privatdozentin Dr. Andrea Holzschuh vom Lehrstuhl für Zoologie III (Tierökologie) und ihre Doktorandin Sandra Kehrberger.
Blütezeit und Schlupf müssen zueinander passen
„Wir haben den Einfluss der Temperatur auf zwei Frühlingsbienen-Arten sowie auf die Küchenschelle, eine der ersten blühenden Pflanzen, untersucht“, beschreibt Sandra Kehrberger das Experiment. Die Wissenschaftlerinnen haben sich insbesondere dafür interessiert, wie sich unterschiedliche Winter- und Frühlingstemperaturen auf den Zeitpunkt des Schlupfes der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) und der Roten Mauerbiene (Osmia bicornis) sowie auf die Blütezeit der Küchenschelle auswirken.
Der zeitlichen Synchronisation beider Ereignisse – Schlupf und Blüte – kommt im Leben sowohl der Bienen als auch der Pflanze eine besondere Bedeutung zu: „Für Wildbienen ist der richtige Zeitpunkt des Schlupfes insbesondere im Frühling zu Beginn der Vegetationsperiode wichtig, da bereits eine kurze Zeitspanne ohne blühende Pflanzen und damit ohne Nahrung negative Folgen für das Überleben der Bienen und die Anzahl an Nachkommen haben kann“, erklärt Dr. Andrea Holzschuh. Aber auch für Pflanzenarten, die zu Beginn der Vegetationsperiode blühen und auf die Bestäubung durch Wildbienen angewiesen sind, ist der richtige Zeitpunkt der Blüte von Bedeutung. „Ein Mangel an Bestäubern kann für sie und für ihren Reproduktionserfolg negative Folgen haben“, ergänzt Sandra Kehrberger.
Die Küchenschelle reagiert schneller
Für ihre Studie haben die Wissenschaftlerinnen Bienen-Kokons auf elf Magerrasen in der Umgebung Würzburgs platziert, auf sieben Magerrasen haben sie zusätzlich die Blüte der Küchenschelle erforscht. „Da sich die jeweiligen Magerrasen in ihrer Flächentemperatur unterschieden, konnten wir die Auswirkungen von höheren Temperaturen, wie sie auch im Rahmen des Klimawandels auftreten können, auf den Zeitpunkt der Blüte der Küchenschelle sowie den Schlupf der Mauerbienen untersuchen“, sagt Kehrberger.
Das Ergebnis war eindeutig: Mit steigenden Temperaturen setzt die Blüte der Küchenschelle früher ein. Dem hinkt der Schlupfzeitpunkt der beiden Mauerbienen etwas hinterher. Damit besteht die Gefahr, dass die ersten Blüten der Küchenschelle in der Abwesenheit von geeigneten Bestäubern blühen. Dies könnte zu einem reduzierten Fortpflanzungserfolg und in Folge dessen auch zu einem Schwund der Pflanzenpopulation führen. Somit stellt der Klimawandel für die heimische Küchenschelle, die bereits als bedroht auf der Roten Liste geführt wird, eine weitere Gefährdung dar.
Aber auch für die Wildbienen kann dieses zeitliche Auseinanderdriften eine Gefährdung darstellen, wenn sich dadurch die Verfügbarkeit von Nahrung verändert. Klimawandelt bedroht heimische Arten „Unsere Forschung zeigt, dass auch der Klimawandel eine Bedrohung für heimische Pflanzen- und Wildbienenarten darstellt, die bereits durch andere Faktoren, wie den Verlust an Lebensraum und die intensive Landwirtschaft unter starkem Druck stehen“, schlussfolgert deshalb Sandra Kehrberger. Mit ihren Forschungsergebnissen wollen die beiden Wissenschaftlerinnen das Ausmaß dieser Bedrohung aufzeigen. Sie hoffen, dass ihre Forschungsergebnisse dabei helfen, die möglichen Konsequenzen der Klimaerwärmung auf Pflanze-Bestäuber-Interaktionen besser abschätzen zu können und zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Klimaerwärmung auf ein Minimum zu beschränken.
Zum Hintergrund
Mehr als 550 Wildbienenarten gibt es in Deutschland. Der Großteil von ihnen lebt solitär, das heißt: Im Gegensatz zu Honigbienen, die Kolonie bilden, baut bei ihnen jedes Weibchen sein eigenes Nest, das es mit Nektar und Pollen für die Larven ausstattet. Sowohl Wildbienen als auch Pflanzen nutzen die Temperatur als Indikator für den richtigen Zeitpunkt der Blüte beziehungsweise des Schlupfes; sie synchronisieren so ihr Erscheinen. Die Klimaerwärmung führt dazu, dass sich das Erscheinen vieler Pflanzen- und Tierarten verfrüht – allerdings nicht unbedingt im gleichen zeitlichen Rhythmus.
Originalpublikation
Warmer temperatures advance flowering in a spring plant more strongly than emergence of two solitary spring bee species. Sandra Kehrberger, Andrea Holzschuh, PLOS,
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0218824
Bild: Die Klimaerwärmung kann die wechselseitige Abhängigkeit von Pflanzen und Tieren stören – wie beispielsweise im Fall von Wildbienen und der Küchenschelle. Im Bild: Das Männchen der Gehörnten Mauerbiene (l.) und das Weibchen der Roten Mauerbiene. (Fotos: Sandra Kehrberger)