Würzburg – Seit dem Start im Juli 2015 haben sich die silbernen Leihräder mit dem hellblauen Hinterteil in Würzburgs Innenstadt konstant vermehrt. Aktuell sind rund 70 Fahrräder an 16 Stationen rund um die Uhr fahrbereit oder unterwegs.
Die City Bikes sind grundsätzlich mit einem kleinen Einkaufskorb ausgestattet und haben einen tiefen Einstieg, der sich auch mit einem Kleid verträgt. Für sportliche Ganztagestouren mit vielen
Höhenmetern sind diese robusten Gefährte mit knapp 20 Kilogramm Gewicht vielleicht etwas schwer, für kurze Fahrten im Stadtgebiet jedoch eine ideale, umweltfreundliche Ergänzung zu Bus und Straßenbahn – womöglich auch eine Alternative zum eigenen Rad. „Bei einer Jahresgebühr von 48 € ist jede kurze Fahrt bis 30 Minuten kostenlos.
Wer beispielsweise täglich am Hauptbahnhof mit dem Zug ankommt oder an der Talavera parkt und in Grombühl oder der Sanderau arbeitet, für den könnte nextbike der ideale Zubringer sein. Um die Pflege eines Rads muss man sich dann nicht mehr kümmern. Die 7-Gang-Schaltung ist immer richtig eingestellt und platte Reifen oder ein kaputtes Licht repariert der Anbieter“, erklärt der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Würzburg, Adrien Cochet-Weinandt.
Wer den Service eher gelegentlich nutzen möchte, kann auch ganz ohne Grundgebühr losradeln. Nach der Onlineregistrierung oder der erfolgreichen App-Installation ist lediglich ein Euro vom Konto oder der Kreditkarte abgebucht, der aber als Guthaben zur Verfügung steht. Das reicht für eine halbe Stunde Fahrspaß. Die Kosten für einen ganzen Tag sind auf maximal 9 € begrenzt. Diese überschaubare Summe macht den Service auch für Touristen und Gäste interessant.
Wer beispielsweise aktuell seinem Besuch angesichts der heißen Temperaturen nicht die Innenstadt, sondern lieber den Erlabrunner Badesee zeigen möchte, kann auf ein Kundenkonto regulär bis zu vier Räder verbuchen und eine kleine Tour unternehmen. Auch Gruppenfahrten zu siebt sind möglich, eine solche „Großbestellung“ muss man allerdings beim Anbieter vorankündigen, der ansonsten auf Spontaneität bei der Buchung setzt. Die Smartphone-App ist für Nutzer hierbei am bequemsten, es gibt aber auch eine Hotline und ein Terminal an einigen der Stationen, wenn mal kein Smartphone zur Hand ist.
Um vom Fußgänger zum Radfahrer zu werden, braucht es nur wenige Augenblicke und Klicke, Piktogramme helfen online oder an den Stationen bei den kinderleichten Schritten. „Wem am Rathaus oder Barbarossaplatz die Straßenbahn direkt vor der Nase weggefahren ist, könnte, bis die nächste Bahn der gleichen Linie kommt, auch die Erstregistrierung beim Leihradservice erledigen. Danach geht es ohnehin bei jeder Buchung sehr schnell. Wir freuen uns, dass die Nutzerzahlen von Jahr zu Jahr steigen.
Es ist im Jahr drei nach Einführung aber auch noch Luft nach oben – was auch im Würzburger Stadtrat schon mehrfach diskutiert wurde. Andere Städte sind mit ihrem Leihradsystem bereits weiter, diese sind meist aber auch mit einer größeren Infrastruktur in Vorleistung gegangen“, zieht Baureferent Christian Baumgart eine erste Zwischenbilanz: „Positiv ist in jedem Fall, dass nextbike der Marktführer ist. Würzburger, die sich registrieren, können den Service somit auch in vielen anderen Städten nutzen. Wir haben aktuell beispielsweise durch Stationen an der Jugendherberge oder der Schiffsanlegestelle eine touristische Ausrichtung des Services, in anderen Städten ist es ähnlich und dann profitieren natürlich auch Würzburger, die hier als Gäste unterwegs sind.“
Über 50 deutsche Städte setzen bereits auf nextbike. Mit einer einzigen Registrierung erschließt man sich demnach ein großes Netzwerk mit Tausenden Leihrädern. In einigen Städten verbirgt sich nextbike auch unter anderen regionalen Bezeichnungen wie beispielsweise „SWA Rad“ in Augsburg (150 Räder) oder „metropolradruhr“, das zehn Städte des Ruhrgebiets abdeckt (500 Räder alleine in Dortmund). Die komplette Übersicht kann man unter nextbike.de einsehen. Dabei fällt auch auf: das Leihrad ist europaweit auf dem Vormarsch. Auch unter der Sonne Gran Canarias oder Maltas könnten mainfränkische Urlauber Stand heute bereits in nextbike-Pedale treten.
Überall muss sich die öffentliche Hand als Zuschussgeber die gleichen Fragen stellen: wann ist die kritische Masse für ein solches Fahrradverleihsystem erreicht? Wie viele Stationen, Räder und welche Material- oder Servicequalität garantieren eine gute Nachfrage in der Bevölkerung? Nachjustieren bleibt eine Daueraufgabe. Die Rad-Flotte könnte beispielsweise dank GPS-Technik auch unabhängig von Stationen werden. Einem benutzerfreundlicheren System mit sogenannten „Freefloatern“ stünden selbstredend aber zusätzliche Infrastrukturkosten gegenüber. In Würzburg gibt es – angesichts der Kessel-Topographie mit Steigungen hoch zum Frauenland, Hubland, Heuchelhof oder Grombühl – aktuell auch die Überlegung, Pedelecs in das System zu integrieren.
In anderen Städten setzt man zudem auf Studierende oder die Inhaber von ÖPNV-Jahreskarten als Zielgruppen, die für einen kleinen Aufschlag nextbike zu vergünstigten Konditionen mitnutzen können. Diese Grundsatzentscheidungen werden den Würzburger Stadtrat weiter beschäftigen. Eine Studie des Zentrums für Regionalforschung (ZfR) der Universität Würzburg hat ergeben, dass
potentielle Nutzer eine Entfernung von rund fünfeinhalb Gehminuten hin zu einer Station bzw. zu einem Rad akzeptieren. Wenn man diese Faustregel berücksichtigt, erreichen die 70 Räder verteilt auf 16 Stationen aktuell rund 21 % der Würzburger Bevölkerung.
In dieser kleinen Ausbaustufe verbuchte der Anbieter im Juni 590 Ausleihvorgänge: der bislang höchste Wert, sicher noch kein Spitzenwert, doch die Tendenz stimmt optimistisch. Im Jahr 2017 waren es im gleichen Zeitraum gerade einmal 351 ausgeliehene Räder. In Sachen Leihräder bleibt Würzburg in Bewegung.
Bild: Kurze Distanzen überbrücken: Für den Preis einer Kugel Eis kann man in Würzburg Sommer wie Winter auch eine halbe Stunde ein Fahrrad ausleihen. (Foto: Stadt Würzburg / Andreas Bestle)