Der Pogromnacht von 1938 ist am Mittwochabend am Ort der ehemaligen jüdischen Synagoge in Würzburg gedacht worden. „Wie konnte es dazu kommen, dass diese Menschen von ihren Nachbarn schutzlos der Verfolgung preisgegeben wurden“, fragte Oberbürgermeister Christian Schuchardt in seiner Rede.
In Würzburg kamen während des Pogroms drei Menschen ums Leben und die Täter waren Deutsche, die das ihren Mitbürgern antaten. Die Gefahr, dass so etwas wieder passieren könnte, sei zwar gering, so Schuchardt, Wachsamkeit sei allerdings aufgrund der weltweiten Entwicklungen und unübersehbaren Warnzeichen geboten. „Ich beobachte mit Sorge, dass der Respekt vor der Menschenwürde in unserer Gesellschaft schwindet“, so Schuchardt.
Beispiele dafür seien unter anderem die Verrohung der Sprache in sozialen Netzwerken, aber auch eine „hemmungslose Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, die immer wieder in Aufrufen zu Gewalt gipfelt“. So wurden in den vergangenen Monaten bundesweit bereits fast 800 Straftaten gegen Flüchtlingsheime registriert. Schuchardt sieht auch mit Sorge, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderzufallen droht. Weil die Politik der etablierten Parteien auf Ablehnung stößt, wird oft die freiheitlich-demokratische Ordnung in Frage gestellt. Als Folge profitieren Populisten, die die Gesellschaft spalten und einzelne Gruppen gegeneinander ausspielen.
All diesem gelte es, entgegenzutreten: „Nur wenn wir heute den Feinden unserer offenen Gesellschaft entschlossen entgegentreten und uns aktiv für ein friedliches, tolerantes und wertschätzendes Miteinander einsetzen, damit hierzulande nie wieder Menschen wegen ihrer Abstammung, ihres Glaubens oder ihrer Herkunft um ihre Sicherheit und ihr Leben fürchten müssen, nur dann können wir glaubwürdig der Opfer der Pogromnacht vor 78 Jahren und der darauf folgenden Shoa gedenken.“
„All jenen, die seit Monaten Hass schüren gegen Minderheiten, die als Ziel haben, die Gesellschaft zu spalten, müssen wir ein klares Stopp-Schild entgegenhalten“, hatte zuvor Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, betont. Dies gelte vor allem mit Blick auf das Super-Wahljahr 2017. Nur wenn die demokratische Zivilgesellschaft an einem Strang ziehe, „können wir den Extremisten und Populisten wirksam etwas entgegensetzen“, so Schuster.
Eine gelebte Erinnerungskultur sei auch 2016 von großer Bedeutung, sagte Regierungspräsident Paul Beinhofer, der an den ersten Artikel des Grundgesetzes „die Würde des Menschen ist unantastbar“ erinnerte. „Es ist damit der verfassungsrechtliche Auftrag an alle Träger staatlicher Gewalt, ihre Behörden und Gerichte durch ihr rechtsstaatliches Handeln unmissverständlich zu bekräftigen, dass auch in schwierigen herausfordernden Zeiten Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit niemals wieder den Nährboden für Willkür, Verfolgung und Menschenverachtung abgeben dürfen,“ so der Regierungspräsident: „Und so erteilen wir auch heute einheimischem wie eingewandertem Antisemitismus eine klare Absage.“
Bild: Oberbürgermeister Christian Schuchardt beim Gedenken am Platz der ehemaligen Synagoge. (Foto: Christian Weiß)