Vor 700 Jahren kaufte die Würzburger Bürgerschaft von Ritter Kuno von Rebstock den „hof Graue Eckehard genant“. Seit 700 Jahren hat Würzburg somit ein Rathaus im Herzen der Stadt. Man findet in Deutschland wenige Verwaltungsgebäude dieser Epoche und vor allem keines, das über alle Jahrhunderte stets die gleiche Funktion ausfüllte. Aus diesem Anlass gedachte die Stadt nun mit einem großen Festakt im Ratssaal der Urkundenunterzeichnung im Jahre 1316.
Im Ratssaal war selbst für stehende Festgäste kaum noch Platz zu finden. Festredner Prof. Dr. Rainer Leng vom Institut für Geschichte der Universität Würzburg nahm die Besucher mit auf eine kurzweilige Zeitreise. Seine Präsentation zeigte Urkunden, Alte Stadtansichten, historische Stiche und durch unterschiedlichste Quellen wurde anschaulich, wie die Übergabe des Grafeneckarts damals über die Bühne gegangen sein dürfte: „Nicht als ein stiller Verwaltungsakt, sondern als feierliche Urkundenunterzeichnung mit zahlreichen Zeugen. Das Zählen der Münzen dürfte bei rund 25 Kilogramm Silber, die bar übergeben wurden, auch eine ganze Weile in Anspruch genommen haben.“
Des Weiteren arbeitete Prof. Leng heraus, dass damals für den Gebäudekomplex wohl ein moderater Preis gezahlt wurde: „Vier Töchter aus gutem Hause hätte man mit dieser Summe eine standesgemäße Aussteuer mitgegeben können“, amüsierte der Historiker mit einem ungewöhnlichen Vergleich.
Auch wenn der Preis ein guter war, ohne zahlreiche Einzelspender oder auch eine Beteiligung der jüdischen Gemeinde hätte man die Summe damals nicht zusammen bekommen. Dies belegt ein kleiner Zettel zwischen den Sigeln der Urkunde, die heute im Staatsarchiv ausgestellt ist. Auch durch diese Großzügigkeit konnte der Grafeneckart zum „Symbol bürgerlicher Freiheit in unserer Stadt“ werden, wie Oberbürgermeister Christian Schuchardt in seiner Begrüßung betonte.
Das Ringen um bürgerliche Selbstverwaltung sollte in den nächsten Jahrhunderten weitergehen und dramatische Rückschläge erfahren – von der Schlacht von Bergtheim bis zum Bauernkrieg. Aber selbst in diesen dramatischen Jahren sollte es keinen Versuch geben, die Bürger wieder aus ihrem Rathaus auf der Achse zwischen Festung und Dom zu vertreiben.
Der kompakten Geschichtsstunde von Prof. Leng schloss sich eine ebenso kurzweilige Gesprächsrunde an, die Eberhard Schellenberger vom BR-Studio Mainfranken humorvoll moderierte. Er war vor allem daran interessiert zu erfahren, ob vom Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Kirche in der Gegenwart noch etwas zu spüren ist. Hierzu befragt, lobte Oberbürgermeister Schuchardt die Kirche als verlässlichen Partner im Sozialen – sei es bei Schulen oder Kindergärten. Domkapitular Jürgen Lenssen revanchierte sich und bezeichnete die Neugestaltung des städtischen Neujahrsempfangs, bei der bis vor wenigen Jahren der Würzburger Bischof als Redner gesetzt war, als einen guten Schritt, der den gegenseitigen Respekt zeige und Würzburgs Vielfalt gerecht werde.
Beim Kommentieren des bürgerlichen Selbstbewusstseins oder der Streitkultur in der Gegenwart konnten sich die Diskutanten aber einige Spitzen nicht verkneifen. Schuchardt würde sich manchmal mehr Gelassenheit in Debatten wünschen. Zu oft würden unverrückbare Positionen sehr früh eingenommen, bevor eine Sache überhaupt erst zu Ende gedacht sei – bei Fusionen von Fußballvereinen etwa. Lenssen hat auch seine Erfahrungen mit typisch fränkischen oder Würzburger Wallungen gemacht, die etwa die Anfangstage des Dom-Museums oder einige seiner Kirchen-Sanierungen begleiteten.
Die Fortschritte der Diskussionskultur seien laut Prof. Dr. Helmut Flachenecker von der Universität Würzburg aber unverkennbar. In der Zeit als der Grafeneckart „städtisch“ wurde, ging es in der damals etwa 8000 Einwohner großen Stadtgesellschaft noch wesentlich rauer zu. Damals hätte man politischen Forderungen noch mit der Mistgabel Nachdruck verliehen. Umso erstaunlicher, dass im selben Jahr auch das Bürgerspital gegründet wurde und bis heute dem gleichen sozialen Gedanken der Pflege und Betreuung alter Menschen verpflichtet ist. Stiftungs-Direktorin Annette Noffz war die Vierte in der Gesprächsrunde und sie betonte, dass – und dies sei eben auch „typisch Würzburg“ – die Arbeit der Stiftung derzeit auch von rund 150 Ehrenamtlichen getragen werde, die ganz unaufgeregt ihre „Zeit spenden“.
Das bekannteste Produkt des Bürgerspitals spielte dann auch eine zentrale Rolle beim Stehempfang im Rathausfoyer. Die musikalische Begleitung des Festakts besorgten Bernd Müller, Julian Pfister, Alexander Daum und Hannes Färber von der Musikhochschule mit alten Stücken für Trompeten und Posaunen.