Entzündungen im Körper verursachen in der Regel Schmerzen. Wissenschaftler der Universität Würzburg konnten jetzt zeigen, dass eine der dafür verantwortlichen Substanzen gleichzeitig auch eine Schmerz dämpfende Funktion besitzt. Ihre Entdeckung bietet sich damit als Ansatz für eine neue Therapie an.
Schmerzen sind eines der fünf klassischen Merkmale von Entzündungen. Verantwortlich für diese Art von Schmerz sind spezielle Entzündungssubstanzen, die Nervenzellen im betroffenen Gewebe sensibilisieren. In der Folge leitet die Nervenzelle ein elektrisches Signal verstärkt zum Gehirn weiter und löst dort die Schmerzempfindung aus. Tatsächlich ist das Geschehen jedoch deutlich komplexer als bisher bekannt.
Wissenschaftlern der Universität Würzburg ist jetzt der Nachweis gelungen, dass diese Entzündungssubstanzen nicht nur Schmerzen verursachen. Professor Erhard Wischmeyer, Privatdozent Dr. Frank Döring und die Diplom-Biologin Sina Kollert vom Physiologischen Institut der Uni konnten zeigen, dass die Substanzen gleichzeitig eine zweite Art von Kanälen in den Nervenzellwänden aktivieren und damit der Schmerzentstehung entgegen wirken. In der Fachzeitschrift Scientific Reports stellen sie ihre Arbeit vor.
Kaliumkanäle spielen eine zentrale Rolle
„Die Erregbarkeit von Nervenzellen wird ganz wesentlich durch die Aktivität von Kaliumkanälen reguliert“, erklärt Frank Döring das zu Grunde liegende Prinzip. Je mehr Kalium-Ionen über diese Kanäle aus der Zelle hinaus strömen, desto weniger empfindlich ist die Zelle gegenüber Reizen von außen oder innen. Das Gleiche gilt für die sogenannten Nozizeptoren, die sensorischen Neurone für Schmerzreize. Ihre Kaliumkanäle sind essentiell für die Balance der Erregbarkeit.
Im Mittelpunkt der Forschung der Würzburger Physiologen steht ein bestimmter Kaliumkanal, der in der Fachsprache den Namen TRESK trägt. In früheren Studien konnten sie zeigen, dass dieser Kanal in sensorischen Neuronen besonders zahlreich vorkommt. Jetzt ist ihnen mit Hilfe eines neu entwickelten Antikörpers der Nachweis gelungen, dass der TRESK-Kanal sowohl im Zellkörper als auch in den Nervenfasern, die bis in die Hautoberfläche reichen, lokalisiert ist. „Damit befindet sich der TRESK-Kanal in direkter Nachbarschaft zu so genannten TRP-Kanälen, die schon seit längerer Zeit als Schmerzrezeptoren bekannt sind“, so Döring.
Ein Gleichgewicht aus Aktivierung und Dämpfung
Was diese Nachbarschaft zweier unterschiedlicher Kanäle aus medizinischer Sicht so bedeutsam macht: „Im Fall einer Entzündung sammeln sich in dem betroffenen Gewebe Substanzen, die genau diese TRP-Kanäle aktivieren und damit Schmerzprozesse einleiten. Gleichzeitig aktivieren sie aber auch die TRESK-Kanäle und sorgen so dafür, dass die Signale für die Schmerzentstehung deutlich geschwächt werden“, erklärt Döring. Dementsprechend reagieren sensorische Nervenzellen von Mäusen, denen der TRESK-Kanal fehlt, deutlich stärker als normale Zellen auf den Kontakt mit einem Entzündungsmediator. „Der TRESK-Kanal wirkt dämpfend auf die Erregung von sensorischen Neuronen und hat damit einen schützenden Einfluss auf Prozesse der peripheren Schmerzentstehung“, so das Fazit der Wissenschaftler.
Zusammenhang mit Migräne
Die Befunde und Schlussfolgerungen der Würzburger Physiologen stehen nach ihren Worten in sehr gutem Einklang mit der Entdeckung, dass Menschen, die eine Mutation im Gen für den TRESK-Kanal besitzen, regelmäßig von Migräneattacken mit sensorischen Ausfällen betroffen sind. Inwieweit bei Migräne Entzündungsprozesse im Gehirn eine Rolle spielen, ist Gegenstand der aktuellen wissenschaftlichen Debatte. Allerdings ist durch die neue Studie jetzt so gut wie sicher, dass der TRESK-Kanal ein neues, wichtiges Zielprotein ist, um verbesserte Medikamente für die Therapie von verschiedenen Arten des Schmerzes zu entwickeln.